Steve Winwood – Das musikalische Chamäleon des Blue Eyed Soul

Da mein letzter Beitrag schon wieder fast 3 Monate her ist und mein neuer Musikblog droht nach einem Beitrag direkt zu verarmen, setz ich mich hier mal wieder ran. Eine Kategorie, die ich hier dringend einführen wollte ist etwas über meine privaten musikalischen Helden, die manch einer evtl. gar nicht wirklich kennt oder nur hier und da mal einen Song gehört hat aber überhaupt nicht weiß, wer dahinter steckt. Wer mich privat kennt und meinen sonstigen Musikgeschmack, den werden ein paar dieser musikalischen Helden überraschen … aber anders wäre es ja auch langweilig. 😉

Deshalb macht heute ein Musiker den Anfang, den wahrscheinlich eher die Generation unserer Eltern und Blues-Fans kennen werden, aber die jüngere Generation maximal durch einen unsäglichen Remix in den 2000ern von Eric Prydz.

Deshalb Eröffnungsfrage: Wie bringt man diesen Song von 1965

mit diesem Remix von 2003 in Verbindung? …

Gut, die Antwort können sich die meisten jetzt wahrscheinlich denken: Der Sänger ist in beiden Fällen Steve Winwood. Als begnadeter Sänger und Multiinstrumentalist verkörpert Winwood für mich den Begriff „Wandlungsfähigkeit“ in der Pop-Musik wie nur wenige Künstler. In seiner mittlerweile über 55 Jahre andauernden Karriere hat Winwood so viele musikalische Inkarnationen und Stile angenommen, dass ich es super interessant finde, diese mal Stück für Stück nachzubauen:

Spencer Davis Group (1963 – 1967)


Im Alter von 15 (!) Jahren traf Winwood den englischen Gitarristen Spencer Davis und schloss sich dessen Band als Sänger an. Bereits in diesen jungen Jahren verfügte Winwood über eine so beeindruckend soulige Stimme, wie man sie ansonsten nur von afroamerikanischen Sängern wie Sam Cook oder Otis Redding kannte:

Neben „Keep on Running“ werden viele diese Nummer von der Spencer Davis Group kennen, da sie es 1980 auf den Soundtrack des legendären Films „Blues Brothers“ mit John Belushi und Dan Akroyd geschafft hat:

Traffic (1967 – 1971)

Nach dem Ausstieg aus der Spencer Davis Group gründete Winwood die Band Traffic und widmete sich mit dieser Band eher Psychedelic Rock und Folk:

Die bekannteste Traffic-Nummer dürfte “Feelin’ Alright” von 1968 sein. Allerdings eher durch die Coverversion von Joe Cocker ein Jahr später:

Durch interne Streitigkeiten innerhalb der Band um die interne Vorherrschaft – insbesondere zwischen Winwood und Gitarrist Dave Mason löste sich die Band in den 4 Jahren ihres Bestehens mehrfach auf. Eine Bandpause 1969 führte deshalb zu folgendem Projekt:

Blind Faith (1969)

Im Umfeld der neu aufkeimenden Hippie und Rock Szene Ende der 1960er Jahre machte Winwood natürlich auch allerlei Bekanntschaft mit anderen bekannten Musikern dieser Zeit und nahm gemeinsam Songs mit diesen auf. So spielt er bspw. die Orgel auf Jimmy Hendrix‘ 15-minütiger Jam-Nummer „Voodoo Chile“ von dessen 1968er Album „Electric Ladyland“.
Die bekannteste Kollaboration mit anderen Künstlern dieser Zeit dürfte aber Blind Faith sein – eine Supergroup bestehend aus Winwood am Gesang sowie niemand Geringerem als Eric Clapton an der Gitarre sowie Ginger Baker an den Drums. Die letzteren beiden hatten kurz zuvor Ihr Power-Trio Cream aufgelöst. Gemeinsam mit Winwood und Ric Grech am Bass nahmen sie 1969 das gleichnamige Album „Blind Faith“ auf. – Es sollte das einzige Album dieser Band bleiben.

Solo (1977 – heute)

Nachdem sich Blind Faith nach einer gemeinsamen US-Tour sofort wieder auflösten und die zweite Phase von Traffic 1971 auch zu Ende ging, verschwand Winwood zunächst von der Bildfläche bzw. verdingte sich als Gast-Komponist und Studio-Musiker (u.a. bei The Who’s Rock-Oper „Tommy“ 1972). Erst 1977 veröffentlichte er sein erstes Solo-Album unter eigenem Namen. Das Debütalbum konnte allerdings noch keine nennenswerten Erfolge vorweisen. Wie andere Künstler der 60er und 70er Jahre tat sich Winwood schwer mit dem Übergang in die 80er Jahre und der neuen Musiklandschaft sowie den neuen Produktionsmöglichkeiten mit Synthies, Drumcomputern usw..
Ein erster Achtungserfolg war die Single „While you see a Chance“ von seinem zweiten Solo-Album „Arc of a Diver“ von 1980. Darauf aufbauend konnte Winwood zwei Jahre später mit dem Song „Valerie“ seinen ersten echten Solo-Hit (welcher wie oben erwähnt 2004 von Eric Prydz für diesen unsäglichen Remix durch den Fleischwolf gedreht wurde) verbuchen:

Winwood war damit musikalisch endgültig in den 80er Jahren angekommen. 1986 langte es dann auch zum ganz großen Wurf: Mit seinem vierten Solo-Album „Back in the High Life“ schaffte er es bis auf Platz 3 der US-Billboard Charts und die darauf enthaltene Lead-Single „Higher Love“ gewann den Grammy Award für „Record of the Year“. Der Song stellt bis heute seinen größten Hit dar und ist vom Songwriting her, der Produktion aber eben auch von der Instrumentierung her absolut auf der Höhe der Zeit (u.a. mit Background-Vocals von Chaka Khan und Nile Rodgers an der Gitarre):

Bis heute für mich immer noch einer der besten Songs dieser Dekade, der mMn auf keiner 80er Jahre Party fehlen darf. 😉
Damit war Winwood endgültig der Inbegriff der „Blue Eyed Soul“. Das Album warf insgesamt 3 Singles ab. Nachdem Winwood damit – auch Frisurentechnisch – die 80er Jahre durchaus erfolgreich mit geprägt hat, wurde es zunehmend ruhiger um ihn. Sein letzter wirklicher Hit war „Roll with it“ vom gleichnamigen Nachfolgealbum 1988:

Back to the Roots, Eric Clapton & Steve Winwood (2009)

Nach dem großen Erfolg in den 80er Jahren ging Winwood wieder zurück zu seinen Soul und Blues-Wurzeln. Nachdem er 2007 von seinem alten Weggefährten Eric Clapton auf dessen eigenes „Crossroads Guitar Festival“ eingeladen wurde um dort ein paar gemeinsame Nummern zu spielen, beschlossen die beiden im Jahr 2009 eine gemeinsame Welt-Tournee zu spielen. Zeugnis dieser Zeit ist das gemeinsame Live-Album „Live from Madison Square Garden“:

Steve Winwood wird dieses Jahr 70 Jahre alt und spielt bis heute Konzerte (diesen Sommer u.a. in Bonn gemeinsam mit Gary Clar Jr. !) und hat sich dazu eine ziemlich tighte Live-Band zusammengestellt, die selbst seine glatt-polierten Songs aus den 80ern in einen sehr organischen Live-Sound übersetzen können:

Auch wenn seine Stimme mittlerweile etwas brüchiger geworden ist und er einige Nummern ein paar Töne tiefer singen muss, so hat er dennoch nichts von seinem einzigartigen Soul in der Stimme eingebüßt und ich hoffe, dass er der Musikwelt noch ein paar Jahre erhalten bleibt. 🙂

Für alle, die es bis hier her geschafft haben: Danke für’s Lesen. 🙂 Und jetzt zum Nachhören, meine persönliche „Best of Steve Winwood“ – Playlist:

Bild: Brian Marks. „Steve Winwood – Cropredy Festival, August 13 2009“. Bestimmte Rechte vorbehalten. Quelle: Flickr.com

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